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Tuesday, August 13, 2013

Raphael Holzdeppe Den Hintern hoch bekommen

 ·  Raphael Holzdeppe galt früh als begnadetes Talent. Weltmeister im Stabhochsprung wird aber nicht, wer dreimal die Woche feiert. Also begann er zu experimentieren.

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Der erste Stabhochsprung-Weltmeister aus Deutschland: „Das bedeutet mir sehr viel“
Am Morgen danach wirkte Raphael Holzdeppe fast schon wieder frisch. Trotz der langen Nacht an der Hotelbar. Und der neue Weltmeister im Stabhochsprung war auch schon wieder angriffslustig. So wie am Vorabend, als der 23 Jahre alte Athlet von LAZ Zweibrücken einen der sichersten Favoriten dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaften aus allen hochfliegenden Träumen gerissen hatte: Den zumindest bei Großereignissen als nahezu unschlagbar geltenden Franzosen Renaud Lavillenie.
Und es war klar, dass da mehr als eine sportliche Rechnung beglichen worden war, nach der frustrierenden Niederlagenserie gegen den Olympiasieger, Europa- und Hallenweltmeister. „Es war schon eine Genugtuung, Renaud endlich mal beim Saisonhöhepunkt zu schlagen“, sagte Holzdeppe, „der ist ja schon ab und zu leicht arrogant, und man merkt, der denkt: Ich bin doch viel besser als die.“ Aber gratuliert hat ihm Lavillenie schon. „Es hat ihn offensichtlich Überwindung gekostet, aber er war fair.“ Beide hatten im Moskauer Luschniki-Stadion 5,89 Meter überquert, Holzdeppe hatte allerdings deutlich weniger Fehlversuche.
Noch deutlicher wurde sein Teamkollege Björn Otto. Der 35 Jahre alte Kölner, ansonsten der ewige Zweite hinter Lavillenie, kam diesmal mit 5,82 Meter auf Rang drei: „Es wurde mal Zeit, dass der mal von seinem hohen Ross runter gestoßen wurde.“ Nicht dass man glaubt, die Stabhochspringer seien ein revanchistisches Völkchen. Holzdeppe bezeichnet sich ja selbst als „relaxten, chilligen Typen, der aber schon sagt, was er denkt.“ Nein, für gewöhnlich versteht man sich. „Ich habe mit Renaud keine Probleme.“
Jetzt hat er ihm den Zahn gezogen, und führt seinen neuen Aufschwung auf den Wechsel von Zweibrücken nach München zurück: „Das ist mein bisher bestes Jahr. Ich bin noch nie so konstant Höhen zwischen 5,70 und 5,80 Meter gesprungen.“ Holzdeppe brauchte nach zwei Olympiazyklen bei Andrei Tiwontschik neue Impulse, wie er sagt. Zudem hat er in Zweibrücken nicht die Trainingspartner gehabt wie jetzt in München. „Mit Malte Mohr und Fabian Schulze habe ich jetzt zwei Konkurrenten, die in manchen Details besser sind als ich.“
In München hat Holzdeppe unter Trainer Chauncey Johnson auch seinen „viel zu tiefen Körperschwerpunkt“ nach oben korrigiert. Er hält jetzt das Gesäß höher beim Anlauf. Das bringt ihn in eine bessere Absprungposition. Die Umstellung hat ihre Zeit gedauert. „Die Hallensaison war eher flop als top“, sagt Holzdeppe, aber draußen sei er besser denn je. „Der Wechsel hat sich voll gelohnt.“

Der erste Stabhochsprung-Weltmeister aus Deutschland

Dass er mit 1,78 Meter einer der kleinsten Stabhochspringer ist, hält er nicht für einen Nachteil. „Erstens ist Lavillenie noch ein paar Zentimeter kleiner, und zweitens bin ich dadurch schneller im Anlauf“, sagt Holzdeppe, der noch eine Menge Reserven sieht. Eigentlich überall. Im Anlauf, bei den Stäben, bei der Griffposition. „Das ist so eine Kette, die in Gang kommt.“ Wann am Ende der Kette die sechs Meter stehen, der Traum jedes Stabhochspringers, kann er nicht genau sagen. „Die Form ist schon da, und ich habe ja noch ein paar Wettkämpfe, aber vielleicht klappt es auch erst nächstes Jahr.“
Aber er hat ja etwas, was ihm keiner mehr wegnehmen kann. Er ist der erste Stabhochsprung-Weltmeister aus Deutschland. „Das bedeutet mir sehr viel.“ Weil die Stabhochsprung-Landschaft nicht mehr viel Raum für Premieren bietet. Dass er - nach Dreispringer Charles Friedek - erst der zweite schwarze deutsche Leichtathletik-Weltmeister ist, hat er gar nicht registriert. „Das spielt für mich keine Rolle.“ Zumal ihm seine Hautfarbe „keine Nachteile“ gebracht habe, von ein paar Idioten abgesehen, „aber die gibt es immer.“ Er sei in Kaiserslautern aufgewachsen, wo es die größte amerikanische Air-Base gibt, „da sind schwarze Amis ganz normal. Insofern war das ein guter Ort für meine Kindheit.“
Holzdeppe, bei Adoptiveltern aufgewachsen, galt schon früh als Wunderkind. Er war 2008 sogar Junioren-Weltrekordhalter. Gut bekommen ist ihm das nicht. „Das war eine Belastung für mich, weil ich mich unbedingt beweisen wollte. In der Zeit hatte ich kurz den Spaß verloren.“ Es war die Zeit der Selbstfindung. Er habe bewusst Experimente im Training gemacht, um zu sehen, was wie auf seinen Körper wirke. Ein Lernprozess, der „zwei, drei Jahre gedauert“ habe. Dazu gehört auch, dass er sich ein paar Dinge eingestehen musste: Zum Beispiel, dass es nicht geht, „dreimal die Woche feiern gehen und trotzdem gescheit zu trainieren.“ Aber aus dem Wunderkind ist längst ein Vollprofi geworden, der auch dem Fast Food abgeschworen hat. „Das kann man sich im Hochleistungssport nicht leisten.“
Was er sich jetzt nach dem WM-Titel, der immerhin 60.000 Dollar wert ist, vielleicht an anderen schönen Dingen leisten kann, darüber hat sich Holzdeppe noch keine Gedanken gemacht. „Darüber werde ich mit meinem Manager reden, wenn ich zu Hause bin.“ Das ist früher, als man denkt. Auf Holzdeppe wartet am Donnerstag schon der nächste Termin. In Zweibrücken, bei seinem Heimatverein, dem er trotz des Umzugs die Treue hält. Dass er da auftaucht, ist Ehrensache - auch für einen Weltmeister.

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